Historische Gärten und Anlagen stehen aber nicht nur im Spannungsfeld konkurierender Nutzungsansprüche,
sondern ebenso oft auch divergierender finanzieller Intentionen.
Dieter Hennebo

Artikel - Gartendenkmalpflege

Abbildung 2: Schloß Oppburg mit Freitreppe (Foto: Curtius 1998)

Historische Gaerten und ihre Bauten als Gesamtkunstwerk

STADT UND GRÜN
Ausgabe 3 März 1999
Text: Jutta Curtius
Seite: 178 ff.

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Historische Gärten und ihre Bauten als Gesamtkunstwerk

Symposium der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten

JUTTA CURTIUS

Die STIFTUNG THÜRINGER SCHLÖSSER UND GÄRTEN lud 1998 zum dritten Herbstsymposium ein, diesmal in das Sommerpalais des Greizer Parkes. Die Veranstaltung fand in Zusammenarbeit mit dem ARBEITSKREIS HISTORISCHE GÄRTEN der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur e.V. statt.
„Historische Gärten und ihre Bauten als Gesamtkunstwerk. Der Greizer Park und sein Umfeld“, mit diesen Worten begrüßte DR. HELMUT-EBERHARD PAULUS (Direktor der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten) die über einhundert aus der gesamten Bundesrepublik angereisten Teilnehmer. Er betonte, daß es Intention der Veranstaltung ist, eine Abgrenzung der unterschiedlichen Fachsparten zu vermeiden und sowohl Architekten als auch Freiraumarchitekten anzusprechen. Es soll das Gesamtkunstwerk als Einheit in seinem Kulturraum einschließlich seines Naturraumes betrachtet werden.
Mit diesem Ansatz verstanden es die Veranstalter ein inhaltliches breites Spektrum abzudecken und die Teilnehmer durch ein dicht gedrängtes, jedoch gut gegliedertes Programm zu leiten.
 

Denkmallandschaft Greiz

Die Vortragsreihe eröffnete DR. NIKOLA DAMMRICH (Thüringisches Landesamt für Denkmalpflege) mit ihrer Einführung in die Charakteristika der Denkmallandschaft Greiz. Mit zahlreichen Bildern heute noch vorhandener Baudenkmale gab sie Einblick in die Kulturgeschichte und Stadtentwicklung, als Residenz-, Bürger-, und später auch Industriestadt, die bis in die 20er Jahre dieses Jahrhunderts noch ihr kleinparzelliges geschlossenes Stadtgebiet erhalten konnte. Vor allem diese gewachsenen kleinparzelligen urbanen Strukturen, aber auch die meisten der noch vorhandenen architektonisch ansprechenden Industriebauten sind durch nicht geeignete Nutzung gefährdet. Es könne jedoch in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation der Region nicht für alle Gebäudekomplexe eine adäquate Nutzung gefunden werden. Zur Zeit wird für die Region eine Denkmaltopographie erstellt, die bei Lösungen der derzeit noch unbefriedigten Situation helfen soll.
DR. PAULUS referierte in Vertretung für Frau EVA-MARIA VON MARIASSY, M.A. (Staatliche Bücher- und Kupferstichsammlung Greiz) zur Baugeschichte des Sommerpalais, unter Bezug der komplizierten Geschichte des Fürstengeschlechtes REUSS. Unter Fürst Heinrich XI REUSS Ältere Linie entstand das „Maison de belle retrait“, eine einflügelige, malerisch im Bogen der Weißen Elster gelegene Sommerresidenz, die dem Fürsten Privatsphäre gewährte und ihn „die sanften Freuden der Natur“ erleben ließ. Bei beginnender Bautätigkeit ab 1768 mußte ein dreiflügeliger Vorgängerbau, der in Blickachse zum Oberen Schloß in Greiz stand, weichen. Das Sommerpalais wurde nach Süden ausgerichtet und ermöglichte somit eine Neuorientierung zum Elstertal und somit zur ungestalteten Natur. Im Zuge dieser Bautätigkeit veränderte sich auch, die ebenfalls auf das Obere Schloß ausgerichtete barocke Gartenanlage. DIPL.-ING. MARTIN BAUMANN (Thüringisches Landesamt für Denkmalpflege) beschrieb die Entwicklung der Greizer Parkanlage von ihrem formalen Beginn um 1650 bis zur letzten entscheidenden Phase um 1870, eingeleitet durch einen Parkentwurf von EDUARD PETZOLD (1815-1891). Eine Umgestaltung und Vergrößerung der formalen Anlage, die als Keimzelle des heutigen Landschaftsgartens gilt, fand schrittweise statt. Erst im Zusammenhang mit wirtschaftlichem Aufschwung der regionalen Textilindustrie und dem Bau der Eisenbahnlinie, sollte 1872 mit dem Entwurf von PETZOLD das Elstertal weiträumig in die landschaftliche Gestaltung mit einbezogen werden, deren Umsetzung in die Hand von HERMANN RUDOLPH REINECKEN (1846-1928) gelegt wurde. Schon im Jahre 1969 wurde diese Anlage unter Denkmalschutz gestellt, deren Bedeutung und Wert zum einen in der Handschrift Petzolds mit seiner weiträumigen Gestaltung und kulissenartigen Staffelung der Pflanzung beruht, zum anderen zählt er - als später großer Landschaftsgarten in Thüringen - zu den großen Werken der Gartenkunst.
DR. MICHAEL ROHDE (Universität Hannover, Inst. für Grünplanung und Gartenarchitektur) erörterte die Bedeutung der Planungen PETZOLDS in Greiz, indem er auf „Petzoldsche“ Arbeitsweisen und seine Planung im speziellen vor Ort einging. Er machte deutlich, daß der ausführende Gärtner REINECKEN, welchen PETZOLD selbst dorthin empfahl, zahlreiche Veränderungen an der Planung PETZOLDS vornahm - dokumentiert in einem Bestandsplan von 1930, nur sieben Jahre nach REINICKENS Ausscheiden als Gartendirektor in Greiz. Während die Entwurfspläne PETZOLDS eine großartige, weiträumige Gestaltung zeigte, beruhen die Modifikationen REINICKENS vor allem auf Vereinfachungen, die den begrenzten ökonomischen Möglichkeiten des Fürstenhauses REUSS Rechnung trugen: Abweichende Ausführungen mit kleineren, näher am Ufer liegenden Inseln im Teich, geänderte Wegeführung und die Reduzierung des Pleasure-Grounds.
Die Mittagspause nutzten die meisten Teilnehmer zur Besichtigung des Sommerpalais oder zu einer Führung durch den Greizer Park, dessen Attraktivität bei blauem Himmel und beginnender Herbstfärbung noch unterstrichen wurde.
 

Praktischer Umgang mit den Denkmalen

DIPL.-ING. PETRA HINREINER (Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten) beschäftigte sich mit dem Nutzungs- und Sanierungskonzept für das Sommerpalais und das Küchenhaus in Greiz. Sie dokumentierte die Entstehungs- und die Nutzungsgeschichte der beiden Bauten und erläuterte Probleme der heutigen Bausubstanz. Nach der denkmalpflegerischen Zielstellung, welche sich am Jahr 1778 orientiert, würden in mehreren Arbeitsschritten die Bauten saniert, daß nach drei Jahren der museale Betrieb weiter ausgedehnt werden könne.
DIPL. ING. GÜNTHER THIMM (Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten und Mitglied des Arbeitskreis Historischer Gärten der DGGL) stellte das seit etwa 1994 erprobte und erfolgreich praktizierte Modell der praktischen Gartendenkmalpflege in Thüringen am Beispiel Greiz vor. Es sei die besondere Aufgabe der Stiftung, die Funktionen der Bauherrschaft, des Planungsträgers und des Denkmalpflegers zugleich wahrzunehmen und untereinander zu verbinden. Im Gegensatz zu anderen Stiftungen oder Verwaltungen staatlicher Schlösser und Gärten erfolgt die Instanthaltung bzw. Wiederinstantsetzung der Garten- und Parkanlagen in Thüringen nicht durch eigene Regiebetriebe, sondern durch die bisherigen Verfügungsberechtigten auf der Grundlage entsprechender Verwaltungsvereinbarungen. Die fachliche Weisungsbefugnis liegt in jedem Fall bei der Stiftung. In Anbetracht der Tatsache, daß der begrenzte Personalbestand die anfallenden Arbeiten nicht allein bewältigen kann, muß ein nicht unwesentlicher Teil der Leistung vergeben werden. Voraussetzung für den Erfolg sei dabei jedoch, daß sowohl die Bearbeitung der unbedingt notwendigen denkmalpflegerischen Zielstellung bzw. Pflegekonzeption als auch schlußfolgernd die Anleitung der sich daraus ergebenden praktischen Maßnahmen in der Hand der gleichen, gartendenkmalpflegerischen erfahrenen Landschaftsarchitekten liegt.
Als beauftragter Landschaftsarchitekt für die Greizer Parkanlage, erläuterte DIPL.-ING. HELMUT WIEGEL (Bamberg) den Stand der Forschung. Die Arbeiten in Greiz orientieren sich z. Z. an einer von DIPL.-ING. CHRISTA BRETSCHNEIDER bereits in den 80er Jahren erarbeiteten Rahmenzielstellung, welche durch ein Fortschreiben dieser Zielstellung weiter differenziert werden. So werden Konzepte für Teilbereiche des Parkes, Neuvermessungen und Höhenmessungen vorgenommen, für Teilbereiche werden gartenarchäologische Arbeiten angestrebt.
LUTZ ZÜRNSTEIN (Stadtverwaltung Greiz) zeigte aus der Sicht des Grünflächenamtes die Tätigkeit auf, welche sich für die Verwaltung aus der engen Zusammenarbeit mit den beiden vorangegegangenen Referenten ergibt. Von großem Vorteil vor Ort ist, daß auf vorhandene Strukturen zurückgegriffen werden kann und dies die Erhaltungsmaßnahmen erleichtere. Zu Problemen des Biotop- und Artenschutz im Greizer Park referierte DR. KARL COBURGER (Landratsamt Greiz). Neben den naturschutzrechtlichen Instrumentarien liegt – analog Hessen – nun auch in der Thüringen der „Gemeinsame Erlaß des Denkmalschutzgesetzes und des vorläufigen Naturschutzgesetz“ vor, die nun angewendet werden müssen. COBURGER belegte an Hand zahlreicher Daten das große Artenspektrum im Greizer Park. So erfolgte schon 1987 eine Ausweisung als Flächennaturdenkmal der zum Park gehörenden Hammerwiesen. Am Beispiel lebensnotwendiger Falterblumen bestimmter Schmetterlingsarten ermahnte er bei der Wiesenmahd zu Abspracheterminen mit der Naturschutzbehörde. Solche Informationen könnten weiter zu einer gemeinsamen individuell auf das Objekt gerichtete Zielstellung führen, die aus seiner Sicht zu einem Konsens im praktischen Umgang zwischen Denkmalschutz und Naturschutz führen würde.
An diesem Referat entzündete sich eine lebhafte Diskussion, die aufzeigte, daß ein rechtzeitiger Austausch unter den Fachrichtungen von Denkmal- und Naturschutz Lösungsansätze vor Ort erleichtern können.
Im Festvortrag gab PROF. DR. ERIKA. SCHMIDT (Technische Universität Dresden) einen Überblick zur Funktion und Bedeutung von Parkanlagen im 19. Jahrhundert und ordnete Greiz in die Gartengeschichte ein. Mit der Öffnung zahlreicher Gärten in der Zeit der Aufklärung für den „anständigen und sittsamen Besucher“ vollzog sich ein Wandel in der Nutzung dieser Gärten. Diese Entwicklung sei nachweisbar auch in Greiz, als der Park 1830 für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Die Entwicklung zu Volks- und Bürgergärten führte zu Allmendeflächen, die keiner Gestaltung und Pflege unterlagen und der Bevölkerung als Erholungs- und Belustigungsort dienten. Die Forderungen nach Bewegung, gepaart mit ästethischer Erziehung, Erholung und Vergnügen führte zu zahlreiche Bürgervereinigungen, die Freiflächengestaltungen im Sinne der Landesverschönerung ausführten. Ab etwa 1851 hat diese Bewegung in der Stadt Greiz zu verschiedenen Gestaltungen geführt. So könne Greiz als Musterbeispiel des Parkwesens im Kleinen eingeordnet werden, deren systematische Erforschung reizvoll erscheine.
 

Exkursion in Ostthüringen

Die Exkursion am folgenden Tag führte in den Landschaftspark EBERSDORF, im Saale-Orla-Kreis. Anlaß zur Gestaltung der etwa 50 Hektar großen Parklandschaft, war die Schloßerweiterung in den Jahren 1788-1791 unter Fürst HEINRICH LI. REUSS-EBERSDORF. Den Auftrag zu der Bautätigkeit erhielt CHRISTIAN FRIEDRICH SCHURICHT (1753-1832), dem auch die Gestaltung der Parkanlage zugeschrieben wird, was bis heute nicht zweifelsfrei belegt, wie insgesamt die Entwicklungsgeschichte der Anlage nur zum Teil nachvollzogen werden kann. SCHURICHT war Architekt und ab 1816 Oberlandbaumeister in Dresden. Dort schuf er unter anderem den Chinesischen Pavillon (1804) und das Neue Palais (1818–1826). Im heutigen Park sind weniger Gestaltungselemente des sentimentalen Landschaftsgartens, wie durch Entstehungszeit zu vermuten, nachweisbar. Teile der Anlage weisen eher auf die klassische Phase des Landschaftsgartens hin. Erwähnenswert ist auch das Grabmal-Reuss von ERNST BARLACH (1870-1826), das ausgezeichnet in den Park integriert wurde. Offen ist die weitere Nutzung der zur Zeit noch als Pflegeheim genutzten Schloßanlage und der früher als Gaststätte genutzten Orangerie.
 

Das Reuss-Grabmal von Ernst Barlach im Ebersdorfer Park (Foto: M. Rohde 1998)

Abbildung 1: Das Reuss-Grabmal von Ernst Barlach im Ebersdorfer Park (Foto: M. Rohde 1998)


Schloß und Park OPPURG, Saale-Orla-Kreis, bot als zweiter Anlaufpunkt zahlreiches Diskussionsmaterial zu Grundproblemen der Denkmalpflege. Die barocke um 1703 angelegte Anlage charakterisiert durch zahlreiche Symbole das Jahr. So weisen vier Haupteingänge auf die Jahreszeiten, 12 Schornsteine zeigen die Monate, 52 Innentüren die Wochen (bis 1994). Die Freitreppe des Gartens schmücken 12 Figuren, mit der jeweils typischen Frucht oder Pflanze des Monats. Der Garten ist rudimentär erhalten, seine Grundstrukturen sind durch zahlreiche Maßnahmen der letzten Jahre für den Besucher wieder erlebbar. Große Beeinträchtigung erfährt der Park durch eine Sportanlage, die sich direkt an die Anlage anschließt. An Stelle der freien Sicht in die Landschaft, bleibt der Blick des Besuchers an den Reklametafeln der Sportplatzumrandung hängen.
Als dritte und letzte Station wurde Burg RANIS angesteuert. Eine Burganlage aus dem 11. Jahrhundert, die durch repräsentative Umgestaltung im 16. Jahrhundert einen Renaissance-Schloßcharakter erhielt. Die Teilnehmer nahmen, je nach Interesse, an einer Führung zur Geschichte, der Besichtigung einzelner Baustellen, oder dem Besuch des Burggartens teil, ein kleinstes Areal, in dem sich die Diskussion zur Gestaltung solcher Räume und der Umgang mit Publikumswünschen und Fördervereinen ergab.
 

Garten der Burg Ranis (Foto: M. Rohde 1998)

Abbildung 3: Garten der Burg Ranis (Foto: M. Rohde 1998)


Zum Schluß bleibt ein Dank an die Veranstalter für ein sehr gelungenes, gut organisiertes Symposium, das sich durch einen systematischen Aufbau und gut strukturierte Fachvorträgen auszeichnete und den Teilnehmern zahlreiche Anregungen bot. Die Vorträge werden in dem „Jahrbuch der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten“ publiziert.